Wing-Loading für Speedrider

Infos und Tipps zum DÖSV Wing Load Chart

2013-05-16 19:14 von Florian Pankarter

Dass sich die Flächenbelastung (Wing Load) eines Schirmes verändert, wenn der gleiche Pilot einen kleineren Schirm benutzt, ist jedem bekannt. Was das für Folgen für Dich und die Flugeigenschaften Deines Schirmes hat und ob Du mit Deiner momentanen Wing Load safe bist, erfährst Du in diesem Artikel.


Eine skalierbare Version des Wing-Load-Chart ist hier als PDF abrufbar:
wlc_de.pdf, bzw. wlc_en.pdf


Das Konzept "Wing-Loading" für Einsteiger

Wenn Du Dich bisher noch nicht mit dem Thema Wing-Loading auseinandergesetzt hast, findest Du hier ein paar einführende Infos:

Die Wing Load bezeichnet das Verhältnis Deines Startgewichts zu Deiner Schirmgröße und drückt aus, wie viel Gewicht im Durchschnitt an jedem einzelnen Quadratmeter Deines Schirmes hängt. Ein Speedrider mit einem Körpergewicht von 85KG hat zzgl. seiner Kleidung und gesamten Ausrüstung ein Startgewicht von mindestens 100KG. Fliegt dieser Pilot einen Speedriding-Schirm mit einer Fläche von 12,5m2, belastet er (rein rechnerisch) jeden Quadratmeter seines Schirmes mit 8KG und hat somit eine Wing Load von "8".
Dieser Wert alleine ist wenig aussagekräftig. Aber im Vergleich mit den Wing Loads anderer Piloten oder einer Herstellerempfehlung hilft er Dir, festzustellen, ob Du Deinen Schirm angemessen beladen oder überladen hast. Der Wing-Load-Chart soll Dir einen Überblick der Wing-Load-Range im Speedriding-Sport geben und Dir schnelle Vergleiche ermöglichen. Mithilfe der im Chart empfohlenen Richtwerte  kannst Du Dir entweder selber eine Meinung bilden … oder hinterfragen, ob Du Dir für Deinen Wing-Load-Vergleich auch die richtigen Vorbilder ausgesucht hast.

Wie ermittle ich meine Wing Load?

Um Deine Wing Load zu ermitteln suchst Du Dir auf der rechten Seite des Charts zuerst die Linie raus, die Deiner Schirmgröße entspricht. Diese Linie verfolgst Du im Chart, solange bis Du bei Deinem Startgewicht (nicht Körpergewicht!) angekommen bist. Auf der vertikalen Achse kannst Du jetzt Deinen persönlichen Wing-Load-Wert ablesen.

Was bedeutet das Ergebnis für mich?

Mit Deinem persönlichen Wing-Load-Wert kannst Du überprüfen, ob die ausgewählte Schirmgröße Deinem Level an Speedriding-Erfahrung entspricht. Der DÖSV unterteilt die Speedrider in Schüler / Anfänger, Fortgeschrittene und Experten und gibt anhand des Wing-Load-Charts Empfehlung für diese Gruppen ab. Obwohl diese Werte nicht rechtsverbindlich sind, beruhen sie auf Erfahrungswerten professioneller Speedrider und sollen Dir helfen, bei der Schirmwahl die richtige Entscheidung zu treffen.

Wing-Loading für Speedriding-Anfänger

Bist Du ein Speedriding-Anfänger solltest Du Dich nicht mit einem Wing-Load-Wert über "7,5" überfordern, sondern Dir einen Anfängerschirm in einer entsprechenden Größe zulegen. Es ist ganz klar von Vorteil, wenn Du Gleitschirmflieger oder Fallschirmspringer bist und bereits viele Flüge, bzw. Sprünge erlebt hast. Denn die sportliche Komplexität bei der gleichzeitigen Bedienung von Ski und Schirm stellt eine enorme Herausforderung an die Geschicklichkeit jedes Speedriding-Novizen dar.

Dieses sportliche Neuland solltest Du zuerst mit einer niedrigen Flächenbelastung erproben. Bist Du für Dein Level an Erfahrung zu hoch beladen, bedeutet das eine zusätzliche Belastung für Dich und Du bewegst Dich möglicherweise schon in Standard-Situationen am Rand Deiner Comfort-Zone. Sobald Du Dich in einer plötzlich auftretenden kritischen Situation befindest (und dafür gibt es beim Speedriding genug Potential!), bist Du vom Stress möglicherweise bereits derart überfordert, dass Du nicht mehr die richtigen Entscheidungen triffst. Das kann besonders beim Speedriding schlimme Folgen haben!

Wing-Loading für Speedriding-Fortgeschrittene

Erst nachdem Du die Koordination von Ski- und Schirmfahrt sicher beherrscht und die Performance-Features Deines Anfängerschirms kennengelernt hast, solltest Du Dich als fortgeschrittener Speedrider betrachten. Erst jetzt bist bereit für ein Wing-Loading mit einem Wert über "7,5". Dazu sind mindestens 500 Rides, bzw. Flüge notwendig, wobei dabei jeweils ein Höhenunterschied von mindestens 300 Metern vorliegen sollte.

Wenn Dir das vor dem Kauf eines kleineren Schirms noch nicht genug Erfahrung ist und Du Dir noch mehr Zeit lassen willst, umso besser. Konservativ ist sicher! Bedenke, dass Du mit einem kleineren Schirm nur ein kleines Stück von einer möglichen Katastrophe entfernt bist, wenn Du schon mit Standard-Situationen überfordert bist!

Im Fortgeschrittenen-Status ist es bei der Wahl eines neuen Schirms sinnvoll, die fliegerischen Vorkenntnisse in die Entscheidung einzubringen. Bist Du ein unerfahrener Gleitschirmpilot oder hast sogar noch gar keine Erfahrungen im Luftsport gesammelt, dann solltest Du konservativer denken als ein Fallschirmspringer mit 1.000 oder mehr Sprüngen. Er ist die Dynamik und das Handling kleiner monokonvexer Kappen mit elliptischer Form (so wie beim Speedrider) wahrscheinlich gewohnt und hat gegen kritische Situationen eine Stress-Resistenz entwickelt, die ihm hilft, einen klaren Kopf zu bewahren und richtig zu reagieren. Das ist besonders bei den kleineren Entscheidungsfenstern im Highspeed-Flug entscheidend.

Wing-Loading für Speedriding-Experten

Ein Speedriding-Experte zeichnet sich nicht nur durch ein kontrolliertes Schirm-Handling aus, sondern auch durch die Fähigkeit komplexe Situationen zu erfassen, Gefahren vorherzusehen, unter hoher Belastung cool zu bleiben und blitzschnell die richtigen Entscheidungen zu treffen - vor allem in Notsituationen!  Wenn Du Dich als Experte bezeichnen willst, solltest Du insgesamt über 2.000 Rides, bzw. Flüge hinter Dich gebracht haben. Wenn Du Dir diese Fähigkeiten im Highspeed-Flug mit teilweise über 100km/h trotzdem nicht zutraust, solltest Du von einem Expert-Loading über 9,5 besser absehen. Eine falsche Entscheidung in der Luft und Deine Speedriding-Laufbahn ist vielleicht zu Ende!

Selbst für die erfahrensten Experten gibt es Grenzen. Ein Wing-Load-Wert jenseits der 11er-Marke ist selbst für sie enorm gefährlich. Er ist den  Spitzensportlern (z.B. Test-Piloten und professionellen Wettkampfpiloten) vorbehalten und unter keinen Umständen für den Gelegenheits-Speedrider bestimmt. Die Gefahr unbeabsichtigter und unkontrollierbarer Flugeigenschaften ist in diesem Bereich enorm hoch. Dieses Risiko sollte (wenn überhaupt) bloß von den erfahrensten Piloten getragen werden.

Einschränkungen des Wing-Load-Konzeptes

Der Wing Load Chart ist ein hilfreiches Tool, wenn es darum geht schnelle Vergleiche mit anderen Speedridern und deren Flächenbelastungswerten zu machen. Zusammen mit den DÖSV-Richtwerten soll er Dir helfen, Dich für die richtige Schirmgröße zu entscheiden.  Aber er ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Es gibt einige Faktoren die das Wing-Load-Konzept nicht aufgreift und sogar Trugschlüsse zu denen es gerne verleitet.

Zu den wichtigsten Punkten gehören:

  • Performance-Unterschiede bei verschiedenen Modellen
  • Überproportionale Effekte einer höheren Wing-Load
  • Physikalische Aspekte bei der Skalierung
  • Individueller Bezugsrahmen bei der Beurteilung

Mit der "Downsizing-Checkliste für Speedrider"  kannst Du prüfen, ob Du diese und andere Faktoren vor Deiner Entscheidung in Betracht gezogen hast.

Allgemeiner Tipp für das Downsizing

Bereit für den Übergang zu einer höheren Wing-Load - also einem kleineren Schirm - bist Du erst, sobald Du die Performance Deines bisherigen Schirms in allen Facetten kennengelernt hast. Dazu solltest Du Folgendes erproben (wenn es die Art des Manövers zulässt am besten mit viel Höhe und einer Reserve!):

  • Deine Flugparameter (z.B. Geschwindigkeit, Sinkrate, Gleitzahl, Landestrecke, Roll-Dynamik, etc.)
  • während diverser Manöver (z.B: Turns, Lift-Offs, Dives, Touch-Downs, Ziellandungen, etc.)
  • bei unterschiedlichen Steuer-Inputs (Toggles, Riser und Gewichtsverlagerungen)
  • in verschiedenen Bedingungen (z.B. schwacher Wind, Up- und Downwind, leichte Turbulenzen, etc.)

Erst sobald Du diese Manöver mit sicherer Regelmäßigkeit kontrolliert absolvieren kannst, bist Du bereit für einen kleineren Schirm. Wenn Du sie nicht beherrscht gehst Du durch die zusätzliche Belastung eines kleineren Schirmes ein unnötiges Risiko ein!

Know your limits! Stay safe!

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